20-21. September 2025 | Säälchen, Berlin

Bereits zum dritten Mal fand in diesem September das vom koreanischen Kulturzentrum organisierte K-INDIE ON Festival in Deutschland statt. Nach Auftritten von Bands wie Lacuna (2023) und Heymen (2024) hat sich das Festival als feste Größe etabliert, wenn es darum geht, koreanische Rock- und Indie-Bands nach Europa zu bringen. Für viele Acts war es sogar das allererste Konzert in Deutschland – oder überhaupt in Europa. Genau dieser Brückenschlag ist es, der das Festival so besonders macht: eine Plattform für Bands, die man sonst nur über Streaming-Dienste oder Social Media kennengelernt hätte, live vor Ort zu sehen.
Das Motto in diesem Jahr lautete: „No Borders, Just Rock“. Und das war mehr als nur ein Slogan. Jede Band veröffentlichte auf dem Social Media Kanal vom koreanischen Kulturzetrum im Vorfeld einen Song, damit die Fans sich vorbereiten konnten. Am 20. und 21. September standen insgesamt sechs Acts auf der Bühne, aufgeteilt in zwei intensive Konzertabende.

Dragon Pony eröffneten das Festival mit jugendlicher Energie und einer großen Portion Charme. Die Band unter Antenna Entertainment ist noch jung, feiert am 26. September erst ihr einjähriges Jubiläum. Ein Grund, weshalb Fans eigens ein Banner-Projekt vorbereitet hatten. Sänger und Leader An Taegyu meisterte selbst den kurzfristigen Ausfall der Mikrofone souverän und brachte die Menge dazu, lauthals mitzusingen. Unterstützt wurde er von Drummer Ko Ganghun, Bassist Pyun Sunghyun und Gitarrist Kwon Sehyuk. Der Bandname entstand übrigens, weil drei Mitglieder im Jahr des Pferdes geboren wurden, einer im Jahr des Drachen – so wurde aus Dragon + Pony der passende Titel. Schon jetzt hat die Gruppe eine beachtliche Fanbase, die beim Festival lautstark vertreten war.
Mit Dabda wurde es experimenteller: Seit ihrem Debüt 2016 mischen sie Math Rock mit psychedelischen Klängen und poetischen Texten. Sängerin und Gitarristin Kim Jiae und ihre Mitmusiker Lee Seunghyun am Schlagzeug, Park Jungwoong an der Gitarre und Noh Kohyeon am Bass, zauberten eine traumähnliche Atmosphäre in den Saal. „Dream-like“ trifft den Sound wohl am besten: komplex, innovativ und gleichzeitig hypnotisch.
Den Abschluss des Abends setzten Wah Wah Wah, die ihre psychedelische Rockbasis mit Jazz-Elementen kombinierten. Mit Kim Soohyeon, Seo Wonseok, Choi Woonghee (auch bekannt aus der Band Silica Gel) und Lee Joonseob fühlte sich das Konzert fast wie eine offene Jam-Session an – spontan, verspielt, frei. Statt einfach Songs „abzuspulen“, ergab sich ein lebendiger Dialog zwischen Band und Publikum.

Der zweite Abend startete mit voller Punk-Power: Drinking Boys and Girls Choir aus Daegu rissen das Publikum sofort mit. Die drei Mitglieder, Bae Meena (Bass, Vocals), Kim Myeongjin (MJ) (Drums, Vocals) und Megan Nisbet (Gitarre, Vocals), stehen für queere Sichtbarkeit, Inklusivität und laute, kompromisslose Energie. Crowdsurfing, Moshpits und Mitsingen machten ihren Auftritt zum wohl wildesten des Festivals. Besonders eindrucksvoll: der letzte Song „Wish“, der sich klar gegen Diskriminierung stellte und das Set mit einer starken Botschaft beendete.
Einen deutlichen Kontrast dazu bildete Redoor. Die Band, die ihre Geschichte 2021 begann, überzeugte mit einer dunkleren, ruhigeren Atmosphäre und einem alternativen Rockstil. Sänger und Gitarrist Lee Deungdae, Gitarrist Ogam (Choi Seunghyun), Bassist Park Sewoong und Drummer Joo Sangwook setzten auf eine Mischung aus zeitgenössischen Sounds und rockiger Basis. Besonders die Überraschung, dass sie eine instrumentale Version von Zartmann’s tau mich auf vorbereitet hatten, sorgte für Gänsehaut. Ein Moment, den Berlin so schnell nicht vergessen wird.
Zum Abschluss trat Lee Seung Yoon auf, der einzige Solokünstler des Line-ups. Seit seinem Sieg bei Sing Again 2020 gilt er als einer der spannendsten Rockmusiker Koreas. Mit seiner Mischung aus orchestralen Klängen, Balladen und rockigen Höhepunkten lieferte er ein Konzert voller emotionaler Wucht. Obwohl er zu Beginn zurückhaltend wirkte, taute er schnell auf, sprang sogar in die Crowd, startete einen Moshpit und sang später spontan an der Bar im hinteren Teil des Saals weiter. Mit einem Augenzwinkern kündigte er ein Encore mit den Worten „I can play till 21:50“ an und nutzte diese Zeit bis auf die Sekunde. SOLD OUT – sowohl der Titel des Liedes als auch die Herzen der Fans.
Das K-INDIE ON Festival 2025 hat erneut eindrucksvoll bewiesen, wie vielfältig und lebendig die koreanische Rock- und Indie-Szene ist. Von verträumtem Math Rock über psychedelische Jams bis hin zu Punk-Explosionen und orchestralen Rockballaden war alles dabei. Besonders spürbar: Die Nähe zwischen Künstler*innen und Publikum, die Leidenschaft auf und vor der Bühne. Und das Gefühl, Teil von etwas Einzigartigem zu sein.
„No Borders, Just Rock“ war nicht nur ein Motto, sondern Realität: ein Festival, das Grenzen überwindet und neue musikalische Brücken schlägt. Schon jetzt darf man gespannt sein, welche Acts 2026 folgen werden.
